Zwischen Wald und Senf
Atemwolken - am Morgen
Die rote Sonne
Hinter Uffenheim fingen endlich wieder richtige Wälder an.
Die Bäume lächelten uns freundlich zur Begrüßung zu.
Das Spiel von Licht und Schatten im Wald war sehr belebend. Ich schwebte mehr als dass ich ging.
Auf die Eibenbeeren beim Friedhof hatte ich mit einem Mal einen Riesenappetit. Ich aß eine ganze Hand voll davon. Das hat mir meine Mum beigebracht, die das als Kind schon gemacht hat. Wichtig ist bloß, die Kerne auszuspucken. Jetzt vor Kurzem erfuhr ich, dass es in Niederbayern eine Klostermanufaktur gibt, die von Alters her Produkte aus Eibenbeeren für den Verkauf herstellt.
Ein wehrhafter Adler schützt das Haus. Ich fühlte mich auch beschützt.
Fränkische Erde so weit das Auge reicht. In diesen Tagen war alles auf den Äckern, was Räder hatte. Mit riesigen Schleppern wurde geerntet, gepflügt, geeggt, gedüngt, gesprüht und gesät. Das war ein Lärmen und Brummen von früh Morgens bis spät in der Nacht bei Flutlicht. Überhaupt war das eine ziemlich geräuschvolle Etappe. Weniger, weil sie zwischen zwei Städten verlief, sondern vielmehr deswegen, weil sich der Pilgerweg nie weit von der Autobahn und der Bahnlinie entfernte.
So sah der Weg an einer Stelle aus. Da hatten wir uns noch nicht verlaufen.
Aber kurz darauf hatten wir eine Zeile in dem Beschreibungstext überlesen und den dazu gehörenden Wegweiser übersehen und mussten deswegen einige Kilometer diese Straße entlang gehen, auf der riesige Laster an uns vorbeidonnerten, weil in der Nähe eine Gipsfabrik war. In dieser Stunde haben wir so viel gemault und uns beschwert wie nie, denn das Gehen auf geraden Asphaltstrecken ist viel ermüdender als auf Naturwegen. Erst beim nächsten Dorf stellten wir fest, dass wir auf dem falschen Weg gewesen waren.
Die Bäume sind einfach nur schön, finde ich. Solche Einzelbäume stehen wie Wächter am Rand des Weges. Ich wüsste gern, was sie zu erzählen hätten, wenn sie reden könnten. Sie sind wie Markierungen am Weg, wie Pfähle in einem Fluss. Es tut gut, ein wenig bei Ihnen zu verweilen.
Einmal sahen wir auf der Karte nahe des Weges Keltenschanzen eingezeichnet. Da ich so etwas noch nie gesehen hatte, suchten wir die am nächsten liegende. Das war gar nicht leicht, denn es gab keine Beschilderung.
Mehrmals gingen wir auf verschiedenen kleinen Pfaden in das Waldstück, in dem wir sie vermuteten. Ich war hartnäckig, und mein Liebster war geduldig, und als wir schon fast aufgeben wollten, fanden wir den richtigen Weg. Er führte wie ein schmaler Tunnel schnurgerade durch den Wald und an zwei Stellen über einen Wall. Auf der anderen Seite sahen wir eine auffällige Markierung an einem weiteren Eingang in den Wald. Eine große gelbe Plastiktüte mit der Aufschrift "Sauenglück - Spezialfutter für Zuchtschweine" hing da an einem Baum. Dort gingen wir hinein und wurden von mehreren dieser Wegmarkierungen nochmal quer durch die Keltenschanze geführt. Diesmal war besser zu erkennen, dass es sich um ein größeres Areal handelte, das mal von einem Befestigungswall umgeben war.
Die ganze Anlage erinnerte mich sehr an das, was die Kelten hier bei uns in der Rhön auf die Hügel gebaut haben. Dort war es nur ebenerdig, und es fehlten die großen Basaltbrocken. Wahrscheinlich haben sie dort Erde und Holz genommen.
An einer dicken Eiche fiel mir ein, ob es hier vielleicht etwas Arbeit für mich geben könnte. Ich lehnte mich mit dem Rücken an den Baumstamm und begann leise zu singen. Und tatsächlich, es gab etwas zu tun...
Solche kleinen Abstecher sind unsere persönlichen "heiligen" Plätze, dafür gehen wir nicht in jede Kirche hinein.
Dieses Haus steht ganz allein unten an der Straße , die nach Rothenburg hinaufführt. Es heißt Chausseehaus und beherbergt eine sehenswerte Töpferei, die von sehr netten Leuten betrieben wird. Vor dem Haus steht eine Bank, und ich war an diesem Tag genug gelaufen. Also gingen wir hinein und fragten, ob ich mich dort hinsetzen dürfe.
Stattdessen wurde ich eingeladen, mich hinters Haus auf dieser wunderschönen Terrasse auszuruhen. Ich fühlte mich in eine andere Welt versetzt. Friedlich plätschernde Springbrunnen, gelbes Laub auf rotbraunen Holzdielen, roter Wein an einer alten Mauer. Später, als der Liebste mit dem Bus zurück war, bekamen wir sogar noch ein Abendbrot angeboten und hatten interessante Gespräche mit den Töpfern. Zum Schluss kauften wir noch zwei der schönen Gefäße, die sie dort herstellen.
Am nächsten Tag gingen wir durch ein romantisches Tal (nicht das Taubertal) hoch nach Rothenburg ob der Tauber. So sehr ich mich auf die Stadt gefreut hatte - wir sind früher einige Male auf einem Wochenendurlaub dort gewesen - so enttäuscht war ich dieses Mal. Die Stadt wirkte so unendlich touristenmüde. Vielleicht lag es am Herbst, vielleicht mutiert sie aber auch allmählich zum Mittelalter-Disneyland. In den Auslagen nur Nepp, die Preise überteuert - ich wollte am liebsten so schnell wie möglich wieder weg.
Das war aber leichter gesagt als getan, denn unsere Wegbeschreibung endete hier. Außerdem gabelt sich der Jakobsweg in Rothenburg. Die meist begangene Strecke verläuft weiter über Ulm und den Bodensee in die Schweiz. Die erwischten wir zuerst, denn in der Stadt gibt es gar keine Wegmarkierungen. Als wir schon halb den Hügel runter waren, wurde ich unsicher, und wir kehrten wieder um. Wir wollten nämlich einen erst kürzlich beschilderten Weg gehen, der über Freiburg ins Elsass führt. Aber niemand wusste, an welcher Stelle dieser Weg die Stadt verlässt, nicht einmal bei der Touristeninformation. Aber wir bekamen einen Tipp für einen gut sortierten Buchladen, und siehe da, der Buchhändler wusste, wovon wir sprachen und hatte tatsächlich noch ein Exemplar der Wegbeschreibung im Taschenbuchformat für stolze 18 Euro vorrätig. Dafür ließen uns die Rothenburger als Pilger umsonst in ihre Jakobuskirche mit Riemenschneideraltar. So gleicht sich alles im Leben wieder aus.
Hey, wir werden sogar bei unserem Töchterchen vorbeikommen! - Das heißt, falls sie überhaupt noch in der Gegend dort wohnt, wenn wir es bis dahin geschafft haben.
Das wunderschöne, vielbesungene Taubertal durquerten wir leider auf dem kürzesten Weg.
Und zum Schluss gönnten wir uns einen letzten Blick zurück auf die Kirchtürme der Stadt. Auf der nächsten Etappe kommen wir dann schon ins Schwabenland.
1 Kommentar:
und wie auf den wunderschönen Fotos zu sehen ist war wunderschönes Herbstwetter, eine frische Luft und entspannte Ruhe über dem Land.Eine sehr erholsame und beglückende Tätigkeit, so ohne Druck durch die Gegend zu wandern und vertrauensvoll sich dem Geschehen überlassen.An einem Tag kamen, als ich zurücktrampen wollte in vierzig Minuten nur zwei Autos vorbei, eines nahm mich mit und fuhr mich bis zu unserem Bus. Geht doch!
Kommentar veröffentlichen