7.11.07

5.) Oktober 2007 - von Uffenheim bis hinter Rothenburg ob der Tauber


Zwischen Wald und Senf

Atemwolken - am Morgen

Die rote Sonne


Hinter Uffenheim fingen endlich wieder richtige Wälder an.

Die Bäume lächelten uns freundlich zur Begrüßung zu.

Das Spiel von Licht und Schatten im Wald war sehr belebend. Ich schwebte mehr als dass ich ging.

Auf die Eibenbeeren beim Friedhof hatte ich mit einem Mal einen Riesenappetit. Ich aß eine ganze Hand voll davon. Das hat mir meine Mum beigebracht, die das als Kind schon gemacht hat. Wichtig ist bloß, die Kerne auszuspucken. Jetzt vor Kurzem erfuhr ich, dass es in Niederbayern eine Klostermanufaktur gibt, die von Alters her Produkte aus Eibenbeeren für den Verkauf herstellt.

Ein wehrhafter Adler schützt das Haus. Ich fühlte mich auch beschützt.

Fränkische Erde so weit das Auge reicht. In diesen Tagen war alles auf den Äckern, was Räder hatte. Mit riesigen Schleppern wurde geerntet, gepflügt, geeggt, gedüngt, gesprüht und gesät. Das war ein Lärmen und Brummen von früh Morgens bis spät in der Nacht bei Flutlicht. Überhaupt war das eine ziemlich geräuschvolle Etappe. Weniger, weil sie zwischen zwei Städten verlief, sondern vielmehr deswegen, weil sich der Pilgerweg nie weit von der Autobahn und der Bahnlinie entfernte.

So sah der Weg an einer Stelle aus. Da hatten wir uns noch nicht verlaufen.

Aber kurz darauf hatten wir eine Zeile in dem Beschreibungstext überlesen und den dazu gehörenden Wegweiser übersehen und mussten deswegen einige Kilometer diese Straße entlang gehen, auf der riesige Laster an uns vorbeidonnerten, weil in der Nähe eine Gipsfabrik war. In dieser Stunde haben wir so viel gemault und uns beschwert wie nie, denn das Gehen auf geraden Asphaltstrecken ist viel ermüdender als auf Naturwegen. Erst beim nächsten Dorf stellten wir fest, dass wir auf dem falschen Weg gewesen waren.

Die Bäume sind einfach nur schön, finde ich. Solche Einzelbäume stehen wie Wächter am Rand des Weges. Ich wüsste gern, was sie zu erzählen hätten, wenn sie reden könnten. Sie sind wie Markierungen am Weg, wie Pfähle in einem Fluss. Es tut gut, ein wenig bei Ihnen zu verweilen.

Einmal sahen wir auf der Karte nahe des Weges Keltenschanzen eingezeichnet. Da ich so etwas noch nie gesehen hatte, suchten wir die am nächsten liegende. Das war gar nicht leicht, denn es gab keine Beschilderung.
Mehrmals gingen wir auf verschiedenen kleinen Pfaden in das Waldstück, in dem wir sie vermuteten. Ich war hartnäckig, und mein Liebster war geduldig, und als wir schon fast aufgeben wollten, fanden wir den richtigen Weg. Er führte wie ein schmaler Tunnel schnurgerade durch den Wald und an zwei Stellen über einen Wall. Auf der anderen Seite sahen wir eine auffällige Markierung an einem weiteren Eingang in den Wald. Eine große gelbe Plastiktüte mit der Aufschrift "Sauenglück - Spezialfutter für Zuchtschweine" hing da an einem Baum. Dort gingen wir hinein und wurden von mehreren dieser Wegmarkierungen nochmal quer durch die Keltenschanze geführt. Diesmal war besser zu erkennen, dass es sich um ein größeres Areal handelte, das mal von einem Befestigungswall umgeben war.

Die ganze Anlage erinnerte mich sehr an das, was die Kelten hier bei uns in der Rhön auf die Hügel gebaut haben. Dort war es nur ebenerdig, und es fehlten die großen Basaltbrocken. Wahrscheinlich haben sie dort Erde und Holz genommen.

An einer dicken Eiche fiel mir ein, ob es hier vielleicht etwas Arbeit für mich geben könnte. Ich lehnte mich mit dem Rücken an den Baumstamm und begann leise zu singen. Und tatsächlich, es gab etwas zu tun...

Solche kleinen Abstecher sind unsere persönlichen "heiligen" Plätze, dafür gehen wir nicht in jede Kirche hinein.

Dieses Haus steht ganz allein unten an der Straße , die nach Rothenburg hinaufführt. Es heißt Chausseehaus und beherbergt eine sehenswerte Töpferei, die von sehr netten Leuten betrieben wird. Vor dem Haus steht eine Bank, und ich war an diesem Tag genug gelaufen. Also gingen wir hinein und fragten, ob ich mich dort hinsetzen dürfe.

Stattdessen wurde ich eingeladen, mich hinters Haus auf dieser wunderschönen Terrasse auszuruhen. Ich fühlte mich in eine andere Welt versetzt. Friedlich plätschernde Springbrunnen, gelbes Laub auf rotbraunen Holzdielen, roter Wein an einer alten Mauer. Später, als der Liebste mit dem Bus zurück war, bekamen wir sogar noch ein Abendbrot angeboten und hatten interessante Gespräche mit den Töpfern. Zum Schluss kauften wir noch zwei der schönen Gefäße, die sie dort herstellen.


Am nächsten Tag gingen wir durch ein romantisches Tal (nicht das Taubertal) hoch nach Rothenburg ob der Tauber. So sehr ich mich auf die Stadt gefreut hatte - wir sind früher einige Male auf einem Wochenendurlaub dort gewesen - so enttäuscht war ich dieses Mal. Die Stadt wirkte so unendlich touristenmüde. Vielleicht lag es am Herbst, vielleicht mutiert sie aber auch allmählich zum Mittelalter-Disneyland. In den Auslagen nur Nepp, die Preise überteuert - ich wollte am liebsten so schnell wie möglich wieder weg.

Das war aber leichter gesagt als getan, denn unsere Wegbeschreibung endete hier. Außerdem gabelt sich der Jakobsweg in Rothenburg. Die meist begangene Strecke verläuft weiter über Ulm und den Bodensee in die Schweiz. Die erwischten wir zuerst, denn in der Stadt gibt es gar keine Wegmarkierungen. Als wir schon halb den Hügel runter waren, wurde ich unsicher, und wir kehrten wieder um. Wir wollten nämlich einen erst kürzlich beschilderten Weg gehen, der über Freiburg ins Elsass führt. Aber niemand wusste, an welcher Stelle dieser Weg die Stadt verlässt, nicht einmal bei der Touristeninformation. Aber wir bekamen einen Tipp für einen gut sortierten Buchladen, und siehe da, der Buchhändler wusste, wovon wir sprachen und hatte tatsächlich noch ein Exemplar der Wegbeschreibung im Taschenbuchformat für stolze 18 Euro vorrätig. Dafür ließen uns die Rothenburger als Pilger umsonst in ihre Jakobuskirche mit Riemenschneideraltar. So gleicht sich alles im Leben wieder aus.

Hey, wir werden sogar bei unserem Töchterchen vorbeikommen! - Das heißt, falls sie überhaupt noch in der Gegend dort wohnt, wenn wir es bis dahin geschafft haben.

Das wunderschöne, vielbesungene Taubertal durquerten wir leider auf dem kürzesten Weg.

Und zum Schluss gönnten wir uns einen letzten Blick zurück auf die Kirchtürme der Stadt. Auf der nächsten Etappe kommen wir dann schon ins Schwabenland.

4.6.07

4.) Pfingsten 2007 - von Mainfranken nach Mittelfranken

Auf dem Weg zu unserem Startort besuchten wir noch meine Eltern bei ihrer Kur in Bad Kissingen. Am Abend waren wir dann schon wieder am Main, und ich dachte, wir begännen unsere vierte Wanderetappe mit einem Abschied von diesem schönen Fluss. Wir campten diesmal direkt am Ufer in der Nähe von Klein-Ochsenfurt.

Als die Nacht hereinbrach, war der Himmel klar. Der zunehmende Halbmond leuchtete mild und einige Sterne waren auch schon herausgekommen. Da tauchte im Westen, dort wo es vom Sonnenuntergang noch etwas heller war, eine schwarze Wolke mit scharfen Kanten auf, nur ungefähr eine handbreit überm Horizont. Sie hatte mal die Silhouette eines Mannes mit großer spitzer Nase oder dann wieder die eines vorwitzigen Bären. Aber was wir beide noch nie gesehen hatten, war ein heftiges Wetterleuchten, das nur in dieser Wolke ganz unten am Horizont tobte. Blitze zuckten in alle Richtungen, und manchmal war ein leises Grollen zu hören, der übrige Himmel blieb wolkenlos und sternenklar. Nach einer guten halben Stunde war das Spektakel vorbei und die Wolke aus unserem Sichtkreis fortgezogen.

Das Wetter am nächsten Morgen war immer noch sonnig und heiß, und der Weg begann auf einer Bahntrasse, die zum Radweg ausgebaut worden war. Er war gekiest und angenehm eben, fast ein bisschen langweilig, und wir kamen zügig voran. Rechts und links grünte es üppig und wild, sodass wir von der Landschaft kaum etwas mitbekamen. Bloß ab und zu öffnete sich der Blick auf ein Dörfchen am Wegesrand.

Am Nachmittag verließen wir diese Trasse, und ab da ging es nur noch durch Felder. Hatten wir noch in Unterfranken immer mal wieder Ausblicke auf liebliche Weinberge gehabt, gingen wir jetzt nur noch durch endlose, riesige Getreidefelder, hauptsächlich mit Weizen und Gerste (Brot und Bier) bepflanzt, ab und zu waren Mais-, Raps- und Rübenäcker dazwischen. Die Landschaft war ziemlich eben, nur leicht gewellt, und alle zwei bis drei Kilometer kamen wir durch ein Dorf. In die Augen fallend war, dass über den Feldern immer mindestens ein Kirchturm herausspitzte, der hinter flachen Weizenhügeln zu sehen war wie ein erhobener Zeigefinger, sodass wir uns nie hätten verlaufen können. Bäume gab es nur wenige und meistens bloß entlang von Bächen oder in den Ortschaften. Und die wenigen Wälder waren so winzig, dass man sie in fünf bis zehn Minuten umwandert hätte.

Einmal kamen wir mit einem Bauern ins Gespräch, der am Sonntagmorgen auf seine Felder gewandert war, um zu schauen, wie die Frucht so steht. Er war trotz des extremen Wetters in diesem Jahr sehr zufrieden und meinte, besser könnte es gar nicht sein. Sie hätten aber auch gute Böden, denen die Trockenheit nichts ausgemacht hätte. Alsdann erzählte er uns noch etwas über die ernährungsphysiologischen Vorteile von Rapsöl und man müsste doch nicht immer dieses fremdländische Zeugs kaufen. Er meinte wohl das Olivenöl. Danach hatte er es eilig, zum Frühschoppen in die Wirtschaft zu kommen, weil mittags hätte die Frau auch schon gekocht, und er müsste dann zu Hause sein.

Die Dörfer sahen so aus, als ob es den Bauern dort immer schon gut gegangen ist. Ganz anders als hier bei uns, wo wegen dem Klima und den Böden die Landbevölkerung stets bitterarm war. Und das ist den Menschen und Gehöften hier in der Rhön immer noch anzumerken.

Am zweiten Tag verdüsterte sich nachmittags der Himmel, und es begann leicht zu regnen und aus der Ferne zu donnern. Weil ich doch so Angst vor Gewittern habe, gab ich auf den letzten Kilometern dann noch mal alles, und wir kamen glücklich in Uffenheim an (Uff - endlich in Uffenheim!). In diesem Städtchen gibt es genauso wie in Ochsenfurt und desgleichen in Aub eine ganz putzige, historische Altstadt zu besehen, die uns aber mehr nur am Rande interessiert haben.

Obwohl ich es diesmal von Anfang an langsam angehen lassen wollte, haben wir in den zwei Tagen unseren persönlichen Rekord gebrochen und sind 32 km gewandert. An der Straße in Uffenheim sah ich dann ein Schild: nach Ochsenfurt 18 km. In solchen Momenten frage ich mich, was tu ich eigentlich hier und warum? Ich habe keine Ahnung - es macht uns Freude, verschafft uns besondere Ausblicke auf andere Gegenden und festigt mein Zutrauen in meine körperliche Kondition.

Leider war am Pfingstmontag das Wetter so nass, dass wir lieber nach Hause gefahren sind, statt weiterzuwandern. Vorher aber saßen wir für ein Frühstück mit köstlichen Brötchen aus einem italienischen Cafe in Ochsenfurt noch ein vorläufig letztes Mal am Mainufer.

Unterwegs lag am Rande eines Dörfchens eine Quelle, die war der heiligen Ottilie geweiht. Der gleichen Ottilie, nach der im Elsass ein ganzer heiliger Berg benannt wurde. Das Wasser der Quelle soll hilfreich bei Augenleiden sein. Natürlich haben wir uns die Augen damit gewaschen, aber zum Füße kühlen war es auch fein.


2.6.07

3.) Ostern 2007 - von Schweinfurt über Würzburg nach Ochsenfurt

Der dritte Wegabschnitt führte uns an den Main, wo wir uns besonders wohl fühlten. Hier anzuschauen.

1.6.07

2.) 2006 - Bad Kissingen bis kurz vor Schweinfurt

Die nächste Etappe von Bad Kissingen bis kurz vor Schweinfurt wanderten wir in den Osterferien 2006 . Was wir da so alles zu sehen bekamen ist hier zu finden.

31.5.07

1.) 2005 - Der Anfang

wir beim Handycheck und der erste Muschelwegweiser
Angefangen hatte alles ganz harmlos. Na ja, Jakobsweg – den Namen hatten wir schon mal gehört, das war doch irgendwo weit weg, dort unten in Frankreich und Spanien und nur etwas für fromme Katholiken. Aber in dem Jahr machte sich eine meiner besten Freundinnen auf die Pilgerschaft im Süden. Ihre Vorfreude auf dies Ereignis war richtig ansteckend. Und zur gleichen Zeit erzählte uns eine andere Freundin, dass der Jakobsweg überall ist und auch schon durch Fulda führt und vor einiger Zeit von irgendeinem Bischof eingeweiht worden war. Vor ein paar Jahren sind wir auch schon mal den Eselsweg in Etappen gegangen. Eine alte Salzstraße, die südlich von Fulda beginnt und bis an den Main führt. Der ist allerdings nur etwas über 100 km lang.

So entstand der Plan, auch diesen beträchtlich längeren Weg in Etappen zu gehen, so weit wir halt kommen würden. Gestartet sind wir am 23. August 2005 in Fulda am Dom. Die erste Strecke war sozusagen ein Heimspiel. Wir kamen durch Ortschaften, die wir kannten, allerdings meistens aus einer anderen Perspektive, nämlich aus dem Auto heraus. Wir besuchten Freunde in der Rhön, die genau wie wir gar nicht gewusst hatten, dass sie direkt am Jakobsweg wohnen. In einem Dorf stoppte ein anderer Freund aus ganz alten Zeiten, den wir ewig nicht mehr gesehen hatten, sein Auto neben uns und erzählte, dass er inzwischen auf Malta wohnen würde, und ob wir ihn dort nicht mal besuchen wollten, warum auch nicht. Später sahen wir einen alten Mann still vor einem Bildstock beten.

An einer anderen Stelle kam eine verhutzelte kleine Frau mit schwarz gemustertem Kopftuch in einem kleinen roten Auto vorbeigefahren. Etwas später kam sie wieder zurück, diesmal auf einem uralten Traktor, den sie mit einer Hand steuerte. In der anderen trug sie eine Peitsche an einem langen Stiel. Damit und mit lauten Rufen trieb sie vier Kühe vor sich her. Jagte uns so nebenbei auf diese Weise auch aus dem Weg.

Irgendwann überquerten wir die Grenze zwischen Hessen und Bayern und stiegen den Kreuzberg hinauf. Dort oben war mal ein Kloster und eine Berhardinerzucht, und es gibt heute noch das gute, dunkle Kreuzbergbier, das die Mönche brauen. Zuerst dachte ich: das schaffe ich niemals da den Berg hoch! Doch dann hat es oben länger gedauert, an ein Mittagessen zu kommen als der ganze Aufstieg vorher. Es war nämlich Sonntag, und Tausende waren da droben, weil irgend so ein Pilgertag war.

Bis Bad Kissingen sind wir auf dieser Etappe gekommen. Es war eine ganz neue Erfahrung für uns, sich einem Weg anvertrauen, auch wenn der nicht besonders logisch zu verlaufen schien, sondern weite Kreise, plötzliche Umschwünge und große Ortsumrundungen machte, nur um anderen Ende dann doch noch ins Dorf hinein zu gehen. Wir hatten manchmal den Eindruck, wie in einem Labyrinth herumgeführt zu werden.

Leider hatte ich zu der Zeit bloß einen schwarz-weiß Film in meiner alten Kamera und habe auch sonst nur ein paar uninteressante Fotos gemacht.